Die nachfolgende Zusammenfassung bezieht sich natürlich nur auf die Zeit ab dem Auslaufen aus Wilhelmshaven am 21. August 1939 und den wesentlichen Abschnitten. Bisher wurde auf den Seiten der Abschnitte nur über die Faktenlage berichtet und dort, wo sich Besonderheiten ergaben, wurde angemerkt, dass diese für sich unter diesem Abschnitt thematisiert werden. Grund ist, dass sonst diese Besonderheiten ggf. die Gegebenheiten überlagert hätten. Diese Besonderheiten sind aber wichtig, denn sie hatten erkennbar Einfluss auf die Entwicklung bis hin des zum Ende gehenden Operationszeitraumes. Zunächst aber muss man sich ein wenig mit der Lage der deutschen Kriegsmarine auseinandersetzen, um besser zu verstehen, unter welchen Rahmenbedingungen diese Operation zustande kam.
Die Lage
Man könnte annehmen, dass mit der rechtzeitigen Vorsorge, die verfügbaren Panzerschiffe "Deutschland" und "Graf Spee" auf eine Warteposition im Nord- bzw. Südatlantik zu schicken und gleichzeitig 21 U-Boote rund um die Britischen Inseln zu positionieren, der Oberbefehlshaber der Marine, GAdm. E. Raeder, auf alle Eventualitäten bestens vorbereitet war.
Und weiter, als es am 03. September 1939 aufseiten der Briten heißt: "Total Germany", also Krieg, müsste man glauben, dass die Deutsche Marine einen Seekrieg gegen die Briten ja geradezu erwartet hat. Das Gegenteil war der Fall.
Die Marineführung glaubte bis dahin nicht, dass es – jetzt 1939 - zu einem Seekrieg kommen würde und schon gar nicht wegen Polen. Eine Warnung des Flottenchefs Adm. H. Böhm, die Briten als möglichen Hauptgegner in einem Seekrieg nicht zu übersehen, wurde kurzerhand aufgrund Hitlers Aussagen weggewischt.
Dieser hatte schon fast gebetsmühlenartig erklärt, dass es vor dem Jahr 1944 an einen Krieg mit den Briten nicht zu denken wäre. Ein solcher Krieg, frühzeitig, passte - genauer gesagt - nicht zu seinen Absichten.
Darüber hinaus muss man wissen, dass GAdm. Raeder bereits im Jahr 1938 einem jungen FKpt. den Auftrag gab eine Denkschrift zu erarbeiten: "Seekriegsführung gegen England".
Diese Denkschrift mahnte, hier sehr verkürzt dargestellt, dass ein Seekrieg gegen die Briten, selbst mit einer Flotte "schwerster Schlachtschiffe", nicht zu gewinnen war. Eher als Lösung wurde auf die konkreten Schwachstellen Britanniens hingewiesen – seine Seeverbindungen. Und der passende Begriff wurde auch genannt: "Kreuzerkrieg". Ein Handelskrieg also, wo alle britischen Seeverbindungen gekappt werden sollten. Allerdings unter der Voraussetzung, dass der Durchbruch aus der Nordsee in die Weiten der Weltmeere unentdeckt geschehen müsste. Aber auch diese Lösung hing nicht von "schwersten Schlachtschiffen" ab, die den Durchbruch notfalls erkämpfen sollten, sondern von leichteren, schnelleren, die die günstige geografische Lage der Briten kompensieren und unentdeckt die Wartepositionen erreichen sollte.
Allerdings fand ein bedeutender Aspekt im Memorandum wenig Beachtung – die U-Boote. Das lag im Wesentlichen daran, dass als Begründung bei der Durchführung eines Handelskrieges die Prisenordnung nicht eingehalten werden konnte. Eher lag es wohl daran, dass man von der irrigen Annahme ausging, die U-Boote spielten nicht mehr die besondere Rolle … Erst später sollte sich das als kolossale Fehleinschätzung erweisen.
Kurz und gut – den Krieg gegen die Briten hatte im Prinzip keiner auf der "Aufgabenliste". Hitler versicherte Raeder und jedem, der es hören wollte, dass es vor 1944 keinen Krieg in westlicher Richtung geben würde und alle diese glaubten es auch. Nicht zuletzt, weil Raeder die Meinung vertrat, dass ein Soldat sich dem Willen der politischen Führung bedingungslos unterzuordnen hat – eine Vorstellung in dieser Zeit, die bekanntlich keine Ausnahme war.
Erst 1938 wurden Konzepte entwickelt, die aussagten, dass keine Seeschlachten dominieren würden, sondern dass eher die Durchführung eines Handelskrieges den Kriegsausgang bestimmen würde. Trotzdem endete es wieder in einem gewaltigen Schlachtschiffbau. Der Handelskrieg als bessere Maßnahme und die Bedeutung der U-Boote wurden weiter unterschätzt.
Am Ende war die bessere Ausrüstung und Erfahrung der britischen Streitkräfte das Wesentliche. Gerade das Radar spielte eine Hauptrolle – besonders im U-Boot-Krieg. Trotz eigener guter Erfahrung in der Funkmesstechnik wurde diese in Deutschland sträflich vernachlässigt, während die Briten ab 1943 mit dem Radar ihren Vorteil ständig ausbauten. Die Deutsche Marine wurde sicher mit bester Absicht geführt, aber es fehlte das notwendige Quäntchen Glück. Und man erkannte die Notwendigkeit, einer Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Technik, viel zu spät.
Trotz alledem darf nicht übersehen werden, im Jahr 1945, im Chaos des Zusammenbruchs, die noch einsetzbare Marine etwa 2,2 Mio. Menschen über die Ostsee gerettet hatte. Die Handels- und Kriegsmarine hatte ihre Leistungsfähigkeit noch einmal bewiesen - wahrscheinlich war das die einzige wirkliche militärische Leistung im 2. Weltkrieg.
In der Bildergalerie sind verschiedene Dokumente hinterlegt, die die Lage der Deutschen Marine im Laufe der Kriegsjahre aufzeigen.
Das Auslaufen aus Wilhelmshaven
Also musste auch hier, soweit es mit Bordmittel überhaupt machbar war, Abhilfe geschaffen werden – Aufgaben für die eine Werft zuständig gewesen wäre. Ergänzendes war schon im Abschnitt "Operationsauftrag" beschrieben.
Auch G. Bidlingmaier, KptzS. und späterer Abteilungsleiter im Militärgeschichtlichen Forschungsamt notierte, dass gerade dieser Umstand Langsdorff ständig Sorgen bereitete und zwei deutsche Schiffe, die ausgelaufen waren, um den Kohlensäurenachschub zu garantieren, den Treffpunkt nicht erreichten.
Man könnte sich fragen, was die Besatzung der "Graf Spee" mehr beschäftigt hat - unentdeckt bleiben und die möglichen Prisen finden oder die wachsenden Unzulänglichkeiten zu beheben.
Jedenfalls wäre noch einiges aus dem KTB zu nennen und es lässt den Schluss zu, dass dieses Schiff, zu welchem Zweck es auch immer gebaut wurde, für einen Handelskrieg in den Weiten des Südatlantik, über einen so langen Zeitraum hinweg, wie es sich am Ende herausstellen würde, nicht geeignet war. Der Zustand des Schiffes ist auch in der "Lagefeststellung, Lagebeurteilung und Entschluss" im KTB vom 26. November deutlich beschrieben.
Die lange Zeit im Operationsgebiet
Als am 26. September endlich der Funkspruch eintraf, der dem Panzerschiff "Admiral Graf Spee" die volle Operationsfreiheit erteilte, war das für die Besatzung zunächst ein spürbares Aufatmen. Endlich war diese zermürbende Wartezeit vorüber.
Der Kriegsgegner hatte sich unterdessen fraglos schon mit den praktischen Aufgaben beschäftigt. Großbritannien begann seine Feindseligkeiten durch eine Handelsblockade bereits am Tag der Kriegserklärung und lieferte Fakten.
03. September
04. September
Allein an 6 Tagen wurden zusammen 40.167 BRT erbeutet – zum Vergleich: Die Besatzung der "Graf Spee" hatte zum Schluss 50.020 BRT aufgebracht.
Normalerweise wäre ja in einer solchen Situation die Unterstützung des Ersten Offizier angebracht gewesen. Aber gerade der IO wurde von der Besatzung kollektiv abgelehnt.
Wie diese lange Periode im Allgemeinen und jene Problematik mit dem Ersten Offizier im Besonderen sich auf den Kommandanten ausgewirkt hat, ist nicht überliefert.
Wohl aber, dass er für die britischen Kapitäne der Prisen immer zugänglich war und einen freundlichen Kontakt pflegte – bekannt wurde das besonders durch den Capt. P. Dove, der Kapitän der "Africa Shell", der seine Erfahrungen mit Langsdorff in einem Buch publizierte.
Der US-amerikanischen Autor und Träger des Pulitzer-Preises Herman Wouk schrieb einmal:
>> Die Führung eines Kriegsschiffes ist mit die aufreibendste Tätigkeit, die einem Menschen zugemutet werden kann. Der Kommandant ist – wenigstens in der Theorie – ein Gott. Die achtungsvolle Distanz der Offiziere und Mannschaften drängen ihn in eine Einsamkeit<<[…].
Vielleicht war es gerade diese zunehmende Einsamkeit, die Langsdorff veranlasste, mit der Nähe zu den Kapitänen der britischen Handelsschiffe diesen Zustand zu kompensieren.
An dieser Stelle kann man zusammenfassen, dass der Handelskrieg, den die Besatzung mit der "Graf Spee" geführt hat, am Ende lediglich die versenkte Schiffstonnage von etwa 50.020 BRT erreicht hatte – das ist zunächst mal nicht viel. Entscheidend war aber die starke Bindung von gegnerischen Schiffseinheiten. Ein gesondert in den Weiten des Ozeans operierendes Panzerschiff war nicht leicht zu finden. Das führte dazu, dass die doch überschaubarere Nordsee aus dem Zentrum des Interesses der Kriegsgegner bald ausschied und deutsche Einheiten das Operationsgebiet erheblich erweitern konnten.
Natürlich hatte das OKM die Jagd auf die "Graf Spee" erkannt und zur Ablenkung zwei Schlachtschiffe weit in den Norden, nähe Island, beordert, um feindliche Einheiten zu binden - der Erfolg war aber keineswegs überzeugend.
Die "Graf Spee" führte jedenfalls in ständig wechselnden Seegebieten im Südatlantik – mit Abstechern in den Indischen Ozean - erfolgreich und unerkannt einen Kreuzerkrieg.
Dabei kam es dem OKM nicht nur auf die Höhe der versenkten Tonnage an, sondern genauso auf die Ablenkungswirkung durch das überraschende Auftreten von schnellen Überwasserstreitkräften außerhalb der europäischen Seegebiete. Zum Schutz seiner Versorgungslinien wurde der Gegner gezwungen, Teile seiner Flotte so umzugruppieren, dass er Angriffen auf seine als Einzelfahrer oder in Geleitzügen zusammengefassten Handelsschiffe auf allen infrage kommenden Schifffahrtswegen begegnen konnte. Eine auf diese Art erreichte Zersplitterung gegnerischer Überwasserstreitkräfte schwächte seine Angriffsfähigkeit und mehrte die eigenen Möglichkeiten, den an sich überlegenen Gegner zum Kampf zu stellen. Allein die "Graf Spee" hatte während ihrer Unternehmung über dreißig gegnerische Einheiten gebunden, nicht eingerechnet die zahlreichen Zerstörer und U-Boote, die ebenfalls zur Jagd auf sie angesetzt waren. In der Summe sollte sich über diese Art von Seekriegsführung aber bald Zweifel bilden.
Jedenfalls stellte nicht nur diese ungeheure Weite dieses Operationsgebietes, das mühsame Absuchen der Seegebiete, wobei schlussendlich doch nur der Zufall bestimmte, dass das Aufbringen feindlicher Handelsschiffe gelang, eine besondere strategische Planung und Umsetzung voraus. Hinzu kam erschwerend, wie oben schon erwähnt, anwachsend der Zustand der Antriebsanlage des Schiffes. Dann das Bordflugzeug, unerprobt, das trotz weniger Betriebsstunden permanent Probleme bereitete und somit keine Unterstützung bot. Der fehlende Kohlesäurenachschub und die damit einhergehenden mangelnden Kühlmöglichkeiten. Sorgen, die an Langsdorff nicht spurlos vorbeigezogen sein können.