Wilhelmshaven

 

Vom Flottentorpedoschießen aus See zurückbefohlen, wurde das Schiff in Wilhelmshaven sofort gedockt, überholt und noch in der Nacht auf Sonntag wieder ausgedockt und in den Ausrüstungshafen verlegt.

Ob Verpflegung, Versorgungsgüter jeder Art, Bierfässer nicht zu vergessen, Ersatzteile für die Schiffstechnik und alle Waffen - alles musste an Bord. Darüber hinaus Heizöl, andere Betriebsstoffe, Gefechtsmunition und Torpedos.

Es war August und zentnerweise Gefrierfleisch musste schnell in die Kühllasten des Schiffes. Kein bisher freier Winkel unter Deck wurde nicht als Stauraum genutzt. Das Ausrüsten des Schiffes erfolgte bis ins Kleinste – in allen Abschnitten wurde rund um die Uhr gearbeitet.

Hinzu kam belastend, dass das Katapult für das neue Bordflugzeug, am 19. August aus Warnemünde angeliefert, verändert werden musste. Dazu erschwerend, dass die Arado Ar 196 A1 an Bord kam, ohne vorher eingeflogen worden zu sein – das sollte später noch Konsequenzen haben. Ein Austauschmotor wurde gleich mitgeliefert.

War der kurze Auslauftermin, die überstürzte Ausrüstung mit allen Unzulänglichkeiten und Fehlleistungen nicht schon genug, so traf es die Stellen für die Personalausstattung offenbar auch unvorbereitet und viele der angeforderten Seeleute meldeten sich erst in "letzter Minute" an Bord. Auch die kurzzeitig einberufenen HSO erreichten das Schiff gerade eben an der Schleuse, die das Hafenbecken vom offenen Gewässer trennte.

Noch am Sonntag war Langsdorff nach Berlin geflogen, um von der Skl. (Seekriegsleitung) letzte Weisungen und den geheimen Operationsbefehl entgegen zu nehmen. Montagmittag war der Kommandant wieder an Bord und der IO (der Erste Offizier) FKpt. Kay konnte ihm die Seeklarbereitschaft des Schiffes melden. (Anm. - wie heute in der Deutschen Marine, auch damals in der Kriegsmarine: "Der Erste Offizier führt die Besatzung; der Kommandant führt das Schiff und den Ersten Offizier")

 

Noch einmal hatten sich Frauen, Bräute und Freunde auf der Schleuse eingefunden, um die Besatzung zu verabschieden – eine Musikkapelle spielte das alte Abschiedslied "Muss ich denn, muss ich denn zum Städtele hinaus". Alle glaubten lediglich an eine der gewohnten längeren Reisen mit baldiger Wiederkehr …

Für die meisten Besatzungsmitglieder sollte sich der Zeitpunkt der Rückkehr in die Heimat erheblich verzögern – für die "Graf Spee" sollte es keine Rückkehr mehr geben.


Aus dem KTB (das Kriegstagebuch des Panzerschiffes "Admiral Graf Spee" hat urkundlichen Charakter) sind folgende Eintragungen zu entnehmen:

 

21. 8. 1939 Wilhelmshaven.

19:39 Uhr Ausgelaufen nach beendigter Ausrüstung gem. Befehl I Op. 115.39.

Marschfahrt 17 sm.

Wind Ost Stärke 2, bedeckt, gute Sicht.

Lufttemperatur + 21°



Die Besatzung der "Graf Spee" zählte jetzt 1.179 Mann. Strukturiert ausdrückt waren das Angehörige KM- (Kriegsmarine) :

47 Offiziere, incl. 4 Marine-Ärzte, zzgl. 2 höhere uniformierte Verwaltungsbeamte, 1 Meteorologe und 5 HSO (Handelsschiffsoffiziere) 52 Unteroffiziere mit Portepee, 218 Unteroffiziere ohne Portepee. 825 Mannschaften.

 

Zivilbedienstete:

3 Debeg-Funker, 1 Wetterfunker und 19 Mann im Dienstleistungsbereich.

Hinzu kamen 6 chinesische Seeleute in der Wäscherei, deren Beschäftigung bei der KM durchaus üblich war – ihr Seefahrtbuch belegte ihre Besatzungszugehörigkeit.

 

Die HSO hatten ein A6 Patent – einer von ihnen war Kapitän, die anderen vier besaßen ein Seefahrtsbuch. Es waren erfahrene Schiffsoffiziere, die die Gewässer und Handelsschiffsrouten im Südatlantik bestens kannten – sowohl die von der südamerikanischen Küste als auch die von der südafrikanischen Küste nach Europa verlaufenden. Da sie für die Funktion als Prisenoffiziere vorgesehen waren, wurden sie nach KTB am 03. 09. von Langsdorff zu LtzS. (S)= Sonderführer)) ernannt. Somit waren einerseits die Vorgesetzteneigenschaften klar geregelt und anderseits bei Gefangennahme die Behandlung nach der Genfer Konvention gesichert.

 

Die Debeg-Funker (Deutsche Betriebsgesellschaft für drahtlose Telegrafie m.b.H., Berlin) waren voll ausgebildete Funkoffiziere - ein Beruf in der Handelsschifffahrt. Im Zweiten Weltkrieg wurden diese auch an Bord von Kriegsschiffen im B-Dienst eingesetzt. Der B-Dienst (Beobachtungsdienst) war eine Abteilung des Marinenachrichtendienstes der KM und beschäftigte sich mit der Sammlung und Auswertung von Informationen über ausländische Seestreitkräfte - hauptsächlich mit dem Abhören, Entschlüsseln und Auswerten des britischen Funkverkehrs.

Darüber hinaus waren für den B-Dienst noch zwei höhere uniformierte Verwaltungsbeamte, wegen ihren silbernen Abzeichen auch "Silberlinge" genannt, ein Ob. Inspektor und ein Inspektor sowie ein Wetterfunker als Assistent für den Meteorologen eingesetzt. Insgesamt waren mit dem militärischen Anteil 50 Mann in den Abschnitt eingesetzt. Etwa 1/3 hatte zur Aufgabe die Durchführung des Heimatverkehrs und 2/3 die Beobachtung des feindlichen Funkverkehrs und die ausländische Presse.

 

Die bei der Besatzung alles überlagernde Frage war: warum die Eile? warum die Personalaufstockung? (Für viele das erste Bordkommando). Und der Auftrag und das Ziel? Nur die Räumlichkeiten auf dem Schiff waren nicht proportional angewachsen, und das war auch für die Borddisziplin nicht belanglos.

Die fieberhaften Vorbereitungen und das kurzfristige Auslaufen hatten nicht gereicht, sich von den Familienangehörigen angemessen zu verabschieden und inzwischen konnte jeder fühlen, dass die politische Entwicklung nichts Gutes ahnen ließ.

 

Für den kommenden Morgen war bereits eine Kommandantenmusterung angekündigt worden. Weiter wurde nun ein Kriegswachebetrieb eingeführt und es gab daher nur noch drei Wachen und kein Freiwachetörn mehr - jeden Tag vier Stunden Wache und acht Stunden wachfrei - kein Durchschlafen mehr.


Operationsbefehl I Op. 115.396

 

Am nächsten Morgen trat die gesamte Besatzung auf der Schanz an und Langsdorff erläuterte der Besatzung die der "Graf Spee" gestellte Aufgabe. Ziel war es für einen möglichen Kriegsfall vorsorglich und unentdeckt eine Warteposition im südlichen Atlantik zu beziehen, um von dort aus gegen die Seeverbindungslinien nach Großbritannien vorgehen zu können. Grundlage für den Einsatz war der schon im KTB genannte Operationsbefehl I Op. 115.396. Der Schwerpunkt war:

"Störung und Schädigung der feindlichen Zufuhr mit allen zu Gebote stehenden Mitteln."

"Bekämpfung feindlicher Seestreitkräfte, auch unterlegener, hat nur zu erfolgen, wenn es die Hauptaufgabe erfordert."

 

Der Auftragserfüllung dieses Operationsbefehls lag eine bindende Vorgabe zugrunde."Führen durch Auftrag" – das bedeutet, das dem militärischen Führer, hier der Kommandant, das zu erreichende Ziel seiner Operation befohlen wird, Taktik, Mittel und Wege zur Erreichung des Zieles hingegen seiner eigenen Entscheidung überlassen bleiben.

Dazu ist zu erklären, dass bei Verlassen der heimischen Gewässer Funkstille einzuhalten war. Schiff bzw. der Kommandant wurde durch Befehl jede Möglichkeit genommen, der Skl. Rückfragen zu stellen und Lageinformationen einzuholen. Auch durften keine wesentlichen Erfahrungen und Aufklärungsergebnisse in die Heimat weitergegeben werden. Nur ein einseitiger Funkverkehr, ausgehend von der Skl., ohne dass diese jeweils den aktuellen Standort des Schiffes oder die lageabhängigen Entschlüsse des Kommandanten kannte, erfolgte. Die Skl. konnte nur von Annahmen ausgehen und vorsorglich handeln. Vor diesem Hintergrund war ein Kommandant in seiner Entscheidungsfindung weitgehend auf sich allein gestellt und insgesamt betrachtet war die Besatzung mit ihrem Schiff völlig abgeschieden. Das konnte sicher anfangs als positive Herausforderung und Abenteuer zugleich betrachtet werden, aber im Verlauf der Zeit auch Zweifel nähren.

Von Wilhelmshaven, durch die Nordsee und weiter zwischen der Norwegen-Shetland-Enge und zwischen den Färöerinseln und Island hindurch, sollte es in das Operationsgebiet gehen.


Mann über Bord!

 

Am 26. 08. ereignet sich folgende Situation. Im KTB für diesen Tag ist nachzulesen, dass das "Barometer fällt - offenbar bildet sich ein Sturmwirbel in der Nähe des Schiffsortes". 51°40‘N 28°26‘W

Da inzwischen Wind Nordost Stärke 8 herrschte, wurden auf der Back Strecktaue gespannt. Ob.Btsm.Mt. Herbert Matzker, der die Aufsicht hatte, hatte sich wohl der Bewegungsfreiheit wegen nicht angeleint und ein überkommender, unerwartet starker Brecher hob ihn an und spülte ihn über Bord. Der Ruf "Mann über Bord" ließ das Schiff sofort stoppen und eine Rettungsboje wurde geworfen, die Matzker aber nicht erreichte.

Der Befehl vom IO Kay ein Boot mit zwölf Mann einzusetzen wurde durch Langsdorff zurückgenommen und er fragte ihn, ob er zusätzlich noch zwölf Mann verlieren wollte. Die Grobe hohe See wäre für die Rettungsbesatzung zur unkalkulierten Gefahr geworden.

Das der Ob.Btsm.Mt. Herbert Matzker keine Schwimmweste trug liegt schlicht daran, dass es an Bord keine gab. Später, in der Einsatzauswertung des OKM wird zu lesen sein: "Jedoch musste z. B. das Schiff ohne Schwimmwesten für die gesamte Besatzung, bis auf wenige der Kutterbesatzung, in See gehen". Ein Beleg für die Haltung und Einstellung der damaligen Marineführung zum Leben und der Sicherheit ihrer Besatzungen.

Durch den schweren Seegang konnte erst zwei Tage später auf der Schanz der Kommandant und die Besatzung des ertrunkenen Kameraden gedenken.


"Die Altmark"

 

Heinrich Dau , geb. 1874, trat 1898 in die Kaiserliche Marine ein. Im Ersten Weltkrieg fuhr er als Wach-und Navigationsoffizier auf SMS "Friedrich der Grosse" und SMS "Schlesien". 1919 wurde als KptLt. d. R. entlassen. Nach einer Fahrtzeit bei dem Norddeutschen Lloyd und der HAPAG Kehrte er 1934 in die Marine und wurde Kapitän verschiedener Trossschiffe. 1940 wurde er als KKpt. d. R. reaktiviert.


Die "Altmark", geführt durch Kapitän H. Dau, war das sogenannte Trossschiff der "Graf Spee". Sie war erst 1938 in Dienst gestellt worden und zivil besetzt. Sie gehörte zur

Dithmarschen-Klasse - 20.858 B.R.T - 25 kn .

Sie war für die Treibstoffversorgung, Beölen genannt, auf See vorgesehen und für den Proviantnachschub. Eine zusätzliche Aufgabe kam noch dazu, aber dazu später.

Wie schon in Wilhelmshaven die Ausrüstung für die "Graf Spee" verlief, so ähnlich hektisch ging es Wochen zuvor dem Trossschiff "Altmark". Bereits am 02. August von Kiel über Wilhelmshaven und von hier am 05. August nach Port Arthur (Texas) in Marsch gesetzt, sollte es für die kommende Versorgung der "Graf Spee" Dieselöl übernehmen. Von Port Arthur aus hatte die "Altmark" direkt das Wartegebiet mit den vorher festgelegten Treffpunkten anzusteuern.

Eine Woche später hatte Schiff und Besatzung das als Warteposition befohlene Seegebiet westlich der Kanaren / Kap Verden inzwischen erreicht – zwischen 15° N – 25° N und 25° W - 40° W.

Bereits während des Anmarsches auf den Treffpunkt führte die "Altmark" die norwegische Flagge. Für den Fall einer Annäherung anderer Kriegsschiffe sollte sie nicht als deutscher Marineversorger erkannt zu werden. Der Schiffsname wurde überstrichen und durch den norwegischen Namen "Sogne" mit Heimathafen Oslo ersetzt, der noch nicht im Loyds-Register eingetragen war.

 

Am 01.September 1939, Kriegsbeginn, trafen sich beide Schiffe auf der festgelegten Trefflinie. Zur Verstärkung der bevorstehenden Aufgaben wechselten zunächst 1 LtzS., 2 Sign.- und 4 Fk.Ob.Gefr. sowie 1 Mech.- und 2 Mtr.Gefr. über. Zusätzlich wechselten am Tag darauf 1 Ob.Sign.Mstr. und 3 Sign.Gefr. – diese 14 Mann verblieben auf der "Altmark". Auf der Ehrentafel werden diese Besatzungsmitglieder mit dem Vermerk "Altmark" genannt.

 

Darüber hinaus wurden etwa 800 cbm Treiböl übernommen – der Zeitbedarf lag nach KTB bei 4 Std. 45Min.!

Das Beölen auf See war mit erheblichem Aufwand verbunden. Erst musste eine Fangleine, vom vorausfahrenden Tanker kommend und mit einem Ball versehen, aus dem Wasser gefischt werden. Dann die da dran befestigte Stahltrosse mit der Ölleitung ø 20 cm, zur Graf Spee herübergezogen und diese an den Öleinfüllstutzen angeschlagen werden.

Und das alles, während die Schiffe hintereinander mit gleichbleibender Geschwindigkeit fuhren. Bei entsprechendem Seegang hätte jeder Riss der Leitung sofort Seewasser in die Öl-Bunker gespült.



Wartezeit im Südatlantik

 

 September 1939. Deutsche Truppen hatten die Grenze zu Polen überschritten. Wie werden Großbritannien und Frankreich reagieren? Die entscheidenden Stunden sind angebrochen. Das Schiff wartet, die Offiziere warten, die Besatzung wartet - "die ganze Welt wartet". Und das alles bei Tagestemperaturen um 40° und tropischen Nächten. Und die Frage, die wohl alle belastete: Wie geht es weiter und besonders in der Heimat? Wie geht es den Familien, die so weit entfernt sind? Eine seltsame Stimmung macht sich breit. Die einzige Konstante in dieser Lage war das uneingeschränkte Vertrauen in Langsdorff - eine Konstante, die sich seit seiner Kommandoübernahme im Oktober 1938 etabliert hatte.

Am 03. September kam wohl das Unausweichliche: Großbritannien und Frankreich traten dem Krieg bei. Aber noch ist kein Einsatzbefehl erfolgt und am 08. September um 10:46 Uhr (OZ), passierten die "Graf Spee" und ihre Besatzung zum ersten Mal die "Linie" - den Äquator. Auf 27° 12,5‘ W. Aufgrund der Lage fiel die traditionelle Äquatortaufe aus. Diese sollte später, beim Passieren des südlichen Wendekreises, nachgeholt werden. Das wurde aber auch nicht umgesetzt und wurde endgültig auf die Rückreise verlegt, die bekanntlich nicht mehr stattfand.

Das Passieren der "Linie" wurde mit einem Salutschuss eingeleitet und vier Besatzungsmitglieder hoben am Vorsteven sinnbildlich eine rote Leine - die Äquatorlinie - aus dem Wasser und trugen sie hochgehalten über die Back und wurde vor dem Geschützturm feierlich durchschnitten. Die Bordkapelle machte an Bord einen Umzug und spielte.

 

Wegen der Hitze musste aber jetzt gehandelt werden. In Friedenszeiten konnte das Schiff stoppen und die Mannschaft außenbords schwimmen. Das war jetzt nicht mehr möglich, also mussten Lösungen her: Wasserschlauch und Badewanne.



In der Zwischenzeit war das Bordflugzeug einige Male gestartet und die ersten Schäden an den Landeklappen bei der Wasserung blieben nicht aus – die Reparaturzeit betrug jeweils etwa 2 Tage. So wichtig das Flugzeug für die Aufklärung auch war, durch den Verzicht auf Funkverbindung war einerseits das Schiff an die dem Flugzeug vorher mitgeteilten Kurse gebunden und anderseits war auch dem Flugzeug Grenzen gesetzt, da es sich um die Anwesenheit des Schiffes gelegentlich überzeugen musste.

Da noch einige Zeit bis zur ersten Prise verging, überbrückte Langsdorff diesen Zeitraum und ließ die Prisenkommandos Standardsituationen als Trockenübung durchspielen.

Auch eine "Prisenrolle", das heißt eine Dienstanweisung über die Zusammensetzung und Arbeitsweise der Prisenuntersuchungskommandos, existierte bei Auslaufen der "Graf Spee" nicht. Erst während des Einsatzes wurde nach den Erfahrungen mit den ersten aufgebrachten Dampfern durch die Prisenoffiziere eine solche erstellt.

Langsdorff nutzte systematisch die Zeit, seine Besatzung auf den kommenden Kreuzerkrieg einzustellen.

 

Seit dem Auslaufen aus Wilhelmshaven bis zur ersten Prise sollten 40 Tage vergehen, bis zur letzten sogar über 3 Monate. Genau 108 Tage. In diesem langen Zeitabschnitt sollte sich wie folgt die Situation an Bord erheblich verändern.

Es war unübersehbar, dass das Schiff nicht für solche Temperaturen in südliche Breiten vorgesehen war. Trotz ständiger Gefechtsbereitschaft wurde die Verschließung durch Anordnung gelockert und für ständige Durchlüftung, soweit das die Schiffskonstruktion zuließ, gesorgt. Auch die Kühlanlage musste nun höchste Leistung erbringen, denn nicht nur der Proviant, sondern auch die Munitionskammern, die in dieser Lage nicht ständig verschlossen bleiben, mussten gekühlt werden. Der Kohlensäurebedarf war deutlich zu hoch, die Reserven zu gering und das machte sich bei der Besatzung spätestens auch bemerkbar, als das Bier ohne Schaum angeboten wurde.

Am 19. 09. ist dem KTB zu entnehmen, dass eine Überholung der Maschinen, jetzt nach Friedensbetriebsvorschrift, ansteht und dass die ersten kleineren und größeren Störungen auftreten. So auch war eine erste Reparatur an einem Hilfsmotor vorzunehmen, die 2 Tage dauerte.

Es zeigte sich jetzt, dass die Werftintervalle zur Generalüberholung der Technik besonders die Maschinenanlage deutlich überschritten war. Die hohe Betriebsstundenzahl führte nun oft zu Ausfällen der einzelnen Motoren und die Reparatur musste nun mit Bordmitteln vorgenommen werden. Dazu die Zentralschmiereinrichtung, ein wichtiger Bestandteil, war defekt, weil das Öl Wasser gezogen hatte und auch die E-Anlage hatte erhebliche Probleme. Aus dem KTB ist zu erfahren, dass an 6 E-Maschinen die Kugellager der Seewasserkühlpumpen zerstört waren, der hohe Salzgehalt des warmen Seewassers hatte das verursacht. Durchschnittlich dauerte jede Reparatur in der Maschinenanlage 12 Stunden.

 

In den Schaltstellen herrschten Temperaturen von etwa 40°. Das zuständige Personal arbeitete auch im Reparaturmodus im Wacherhythmus Tag und Nacht – zerschundene Hände waren die Regel und mit einer bleiernen Müdigkeit ging es in die Hängematten.

Hier machte sich die hohe Qualität des Maschinenpersonals bemerkbar, ohne die hätte der Operationsauftrag abgebrochen werden müssen – eine Situation, die die KM sicher nicht bedacht hatte.

 

Und auch das Bordflugzeug machte regelmäßig Probleme. Der Einrichtung, die Langsdorff für die Aufklärung dringend brauchte, widerfuhr immer wieder Beschädigungen. Meist ereigneten sich diese bei der Landung, aber auch der Motor blieb nicht verschont. Nach nur 19 Betriebsstunden offenbarte dieser einen Riss und war unbrauchbar geworden – der Einbau des Ersatzmotors dauerte 5 Tage.

Was sich zusätzlich bei dem langen Aufenthalt auf See anbahnte, war die zur Neige gehende Verpflegung und andere Bedarfsgüter. Zuerst betraf es den Kartoffelvorrat, daher wurde auf Reis umgestellt und später gab es häufiger Eintopf und Mehlspeisen. Und in der Kantine wurde das Angebot immer übersichtlicher. Die Friseure mussten zunehmend mit Bedacht die Haare schneiden, weil die Handschneider allmählich stumpf wurden und aus dem Schneiden oftmals ein Reißen wurde. Und am Ende mussten sich außerdem drei Mann eine Toilettenpapierrolle teilen!

 

Hinzu kam belastend die lange Zeit auf See, ohne zumindest einen Landfall gehabt zu haben – ständig das Suchen nach Prisen, ohne selbst gesehen zu werden. Da konnte schon so mancher schwermütig werden oder zum Abstumpfen neigen. Aus Aufzeichnungen und späteren Erzählungen so mancher Besatzungsmitglieder geht hervor, dass man sich oftmals in dieser Zeit gewünscht hätte, dass die jungen Offiziere wissenschaftliche und/oder technische Vorträge gehalten hätten. Aber das Pflegen der Kluft zwischen Offizieren und Mannschaften war wohl bequemer.

 


Ein Ausnahmeereignis in dieser Zeit war lediglich die Verleihung von 100 EK II durch den Kommandanten. Da diese nicht gegenständlich vergeben werden konnten, wurde mit Bordmitteln schwarz-weiß-schwarze Bänder angefertigt und diese symbolisch verliehen.

Darüber hinaus wurde am 26. Oktober mit Tagesbefehl die Verleihung der Memel-Land-Medaille bekannt gegeben.

 


Die Operationsfreigabe

 

Am 26. September um 21:30 OZ nach KTB traf endlich der Funkspruch ein, der den Panzerschiffen die volle Operationsfreiheit erteilte. In einer Offizierssitzung am darauffolfenden Tag gab Langsdorff den Befehl der Seekriegsleitung bekannt. "Die Panzerschiffe haben durch Vorstöße in die Operationsgebiete den Handelskrieg aufzunehmen".Endlich war diese zermürbende Wartezeit vorüber.


Schwerer Kreuzer HMS "Exeter"

Der Wahlspruch: "Semper fidelis"

York-Klasse - 8390 ts - 32 kn

Leichter Kreuzer HMS "Ajax"

Der Wahlspruch: "Nec Quisquam Nisi Ajax"

Leander-Klasse - 7270 ts - 32,5 kn

Leichter Kreuzer HMNZS "Achilles"

Der Wahlspruch: "Braverly in Action"

Leander-Klasse - 7270 ts - 32,5 kn