Die Jahre 1943 und 1944
Nachdem Uruguay 1942 die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland beendet hatte und die Deutsche Gesandtschaft Uruguay verlassen musste kümmerte sich nun die Spanische Botschaft, im Rahmen des Notwendigen, um die Internierten.
Am 05. August 1943 ordnete das uruguayische Innenministerium an die internierte Besatzung der "Graf Spee" und der "Tacoma" nach Sarandí del Yí, Verwaltungsbezirk Durazno, zu verlegen - etwa 200 Km von Montevideo entfernt. Als Unterkunft sollte die Militärkaserne "Cuartel Paso del Rey" dienen.
Spätere vereinzelte Erzählungen von Speefahrer, Uruguay hätte die Internierten zu Kriegsgefangenen erklärt, stimmen nicht.
>> Erst wenn der neutrale Staat dem kriegsführenden Staat, dem die internierten Soldaten angehören, eine Kriegserklärung überreicht, kann er den Erlass, der die Internierung regelt, aus Gründen der Selbstverteidigung ändern. Da das Dekret die Haltung Uruguays inhaltlich nicht änderte, blieb auch der Internierungsstatus bestehen<<.
Sarandí del Yí
Am 14. August 1943, in aller Frühe, wurden Hans Jahn und seine Kameraden von der zuständigen Behörde geweckt und aufgefordert, ihre Koffer zu packen und sich für den Nachmittag reisefertig zu halten.
Es war ein Samstag, als gegen 18.00 Uhr einige Lastwagen vorfuhren; alle mussten aufsitzen und ab ging die Fahrt zum Bahnhof - dort stand schon ein Sonderzug bereit.
Die Fenster der Waggons sollen den Erzählungen nach mit Holzlatten belegt worden sein und in jedem Waggon saßen mehr Polizisten als Gefangene - auch die Besatzung, der "Tacoma" befand sich in
diesem Zug.
Gegen 20:30 Uhr setzte sich der Zug endlich in Bewegung und ab ging es durch die Nacht … Sarandí del Yí entgegen. Da es Mitte August war, also Winterzeit, war es im Zug gebührend kalt.
Nach siebenstündiger Bahnfahrt erreichte der Zug den Zielbahnhof von Sarandí del Yí; dort wurden sie dem Militär übergeben. Nach einer weiteren Stunde Fußmarsch durch die Dunkelheit erreichten die Internierten die Kaserne "Cuartel Paso del Rey" – ihre Unterkunft für die nun folgende und ungewisse Zeit.
Mittlerweile war es 04.30 Uhr in der Frühe geworden; nachdem sie durch das Tor in der Kaserne den Innenhof betreten hatten, wurden erst einmal die großen Baracken zugeteilt - für die "Tacoma" - Besatzung wurde die mittlere Baracke bestimmt, für die "Graf Spee" - Besatzung die linke Baracke.
Diese diente bislang als Speisesaal für die dort stationierten Soldaten. Zuerst musste alles aus dieser Baracke geräumt werden. Dann schleppten die uruguayischen Soldaten Holzpritschen heran, die als Betten dienen sollten. Jeder erhielt auch ein paar Wolldecken, denn es war weiter bitterkalt an diesem Morgen. Gegen 6.00 Uhr konnten endlich alle ihre müden Leiber auf diesen "Betten" ausstrecken.
Im Laufe des Sonntags kam auch das Gepäck an. Hammer und Nägel wurden irgendwo aufgetrieben, und in kurzer Zeit hing die Kleidung an den Wänden. Einige Wochen später wurden auch die Spinde, Schränke, Betten, Tische und Stühle aus der "Villa Catalina" per Bahn und Lastwagen in die Kaserne transportiert. Mit Hilfe von Brettern, Leisten, Latten und Wolldecken, bauten man sich gruppenweise in der großen Halle, abgeschlossene Kabinen.
Die Internierten gewöhnten sich nur sehr langsam an diese Zustände. Gegen die aufkeimende Lethargie gab es nur ein Mittel etwas Sinnvolles zu tun und das hieß Arbeiten - also ran an die selbige. Da bekanntlich fast alle Berufe vertreten waren, lehrten die einen die anderen.
Der Händler erhielt die gesammelten Bestellungen und brachte am nächsten Tag die bestellte Ware, kassierte und nahm die Bestellungen für den nächsten Tag entgegen. So ging das die gesamte Aufenthaltszeit in Sarandí del Yí - mit einem Esel soll der Händler das Geschäft begonnen haben, mit einem Auto nahm er später Abschied.
Der Regelungen der "Genfer Konvention" folgend, wurden die Internierten von Vertretern des "Internationalen Roten Kreuz" besucht, um sich ein Bild der Lage und das Befinden der Internierten zu machen. Mit deren Hilfe gelang es endlich, in der Woche im Río Yí schwimmen und Fische fangen zu dürfen. Auch Fußballspielen auf einer Wiese außerhalb der Kaserne wurde gestattet - aber stets unter militärischer Bewachung.
Wie wir aus den bisherigen Erzählungen wissen, besuchten regelmäßig ansässige Familien oder Einzelpersonen die Besatzung auf der Quinta; sowohl Deutsche, Deutschstämmige oder anderer Provenienz. Es war ein Ort der Begegnungen junger Menschen; Kontakte wurden zu Familien geknüpft, Freundschaften wurden geschlossen. Oftmals hatten aber die ersten Begegnungen schon davor satt gefunden; das war, als die Verletzten sich noch in den Hospitälern befanden.
Und diese Begegnungen waren in mehreren Fällen so intensiv, dass später zunächst einmal die Verlobung stattfand.
Dieser Handlung bedurfte aber die vorherige Zustimmung des Disziplinarvorgesetzten, denn es war klar geregelt, dass ein deutscher Soldat nur mit Genehmigung heiraten durfte. Und diese Genehmigung konnte nicht der "Lagerälteste" erteilen, sondern nur KptzS. Kay, der ehemalige IO auf der "Graf Spee" und jetzt in Bs.As. aufhaltend.
Auch Hans Jahn und Hildegard Ittig beschlossen in dieser Zeit, sich zu verloben und so reiste Frl. Ittig rüber nach Buenos Aires und suchte das "Speebüro" auf.
Trotzdem erhielten Hans und Hildegard die Genehmigung und sie reiste sicherlich glücklich zurück.
1945 - das Jahr der Kriegserklärung und der Eheschließungen
Am 23.Februar 1945 erfolgte durch Uruguay die Kriegserklärung an Deutschland. Und somit wurden Hans Jahn und seine Kameraden zu Kriegsgefangenen.
Einen Monat später erfolgte die Kriegserklärung durch Argentinien. Und bereits Mitte 1945 begehrte Großbritannien und die USA die Auslieferung der Besatzungsmitglieder der "Admiral Graf Spee" – sowohl der ehemaligen Internierten in Argentinien als auch die in Uruguay.
Schnell leuchtete es ebenjene ein die sich in der vergangenen Zeit verlobt hatten, dass die nachhaltigste Lösung nur eine Heirat sein konnte.
Am 22. Dezember 1945 heirateten Hans Jahn und Hildegard Ittig. Weitere sieben Hochzeiten fanden im Jahr 1945 statt und zwei Ende Februar und Mitte März 1946.
Heinz Heerlein und Hans Jahn wurden am 16. Februar 1946 mit ihren restlichen Kameraden auf dem Dampfer ”Highland Monarch”, der im Hafen von Montevideo auf Außenreede lag, eingeschifft – an der Stelle, wo im Dezember 1939 die "Admiral Graf Spee" vor Anker ging …
Jetzt war die Besatzung der "Graf Spee" wieder vereint – bis auf wenige und auch die Besatzung, der "Tacoma" war bis auf wenige und obwohl eine Auslieferung nicht begehrt wurde,
dabei.
Alles Weitere zum Rücktransport wird unter dem Abschnitt Der Paradigmenwechsel detailliert beschrieben.
Am 10. März 1946 traf Hans Jahn in Hamburg ein. In Güterwaggons ging es am 12. März weiter nach Munsterlager - Niedersachsen. Dort wurde in ungeheizten Holzbaracken gewohnt; und sie waren Kriegsgefangene, also mussten sie zusätzlich alles Persönliche abgeben wie Lebensmittel, Geld, Tabak, Zigaretten, Uhren, Ringe, etc. - die "Genfer Konvention" war offenbar durch die Sieger vorübergehend abgeschafft ...
Ein neuer Abschnitt stand Hans Jahn nun bevor und die wohl drängendste Frage ... was war, falls nicht schon bekannt, aus der eigenen Familie geworden und was war aus dem jeweiligen Heimatort geworden.
Ende April 1946 muss es, erfahrungsgemäß, für Hans Jahn weitergegangen sein – ob er direkt nach Bayern transportiert wurde, es gehörte zum "Eastern Military District", oder erst über Hessen, genauer nach Udenhausen nähe Hofgeismar, wie es mal seinen Erinnerungen entsprang, es gehörte zum "Western Military District", ist ungeklärt aber beides ist möglich, da es zu den US-Besatzungszonen gehörte und die Militärunterlagen bestätigen, dass er sich zunächst US-Amerikanischer Kriegsgefangenschaft befand.
Und ob er seine Familie wieder traf, ist auch nicht überliefert; aus der Militärkartei geht nur hervor, dass seine Schwägerin Lina Jahn am 14. April 1942 sich nach seinem Befinden erkundigte und ihr mitgeteilt wurde, dass er in Uruguay interniert sei – mehr nicht.
Jedenfalls hatten die Brüder auch den Krieg überlebt – Fotos in der Galerie aus den Jahren 1955 und 1978 belegen das.
Aus dem späteren SAS-Schreiben der Fluggesellschaft geht allerdings hervor, dass er sich weiter in Udenhausen aufhielt; möglicherweisen war eine Anstellung in seinem Heimatort Selb nicht zu finden, denn nach dem Krieg kamen 3500 Flüchtlinge dort hin - das waren 20 % der dortigen Anwohner.
Am 03. Mai 1946 wurde Hans Jahn durch das US- Militär aus der Deutschen Kriegsmarine entlassen.
Am 20. Mai 1949 kam dann durch die SAS-Fluggesellschaft aus Montevideo die Postnachricht, ein Flugticket sowie 200,- $U, würden für ihn bereitliegen; am 10. Juni teilte er der Fluggesellschaft mit, dass für die Reise nur noch das Schweizer Transitvisum fehlt. Anfang Juli 1949 flog Hans Jahn, von Frankfurt/M. über Genf nach Montevideo, zu seiner Familie zurück.
Nach seiner Rückkehr arbeitete Hans Jahn zunächst in der Tischlerei Hinterwinkler; Anfang der 50er Jahre wurde ihm die Übernahme der Werkstatt angeboten - das Alter der vorhandenen Maschinen, ermunterten ihn selbstständig zu werden.
Die Jahre danach werden unter Die Spee-Kameradschaften beschrieben.