Epilog

 

Die einzelnen Abschnitte haben uns einen fundierten Einblick in das historische Geschehen um das deutsche Panzerschiff     "Admiral Graf Spee", um ihren Kommandanten KptzS Hans Langsdorff und seine Besatzung auf vielfältige Weise gegeben.

  • Die ersten "Lebensjahre" der "Admiral Graf Spee" waren für Besatzung und Schiff wohl die spannendsten und abwechslungsreichsten überhaupt – Kiellegung und Stapellauf, Baubelehrung, Erprobungs- und Ausbildungsfahrten.
  • Als Flottenflaggschiff das Anführen der Flottenparaden und die Teilnahme an der Krönungsflottenschau auf "Spithead Reede", gemäß der Krönung von König George V..
  • Obendrein die etlichen Auslandsbesuche; ästhetische Bauwerke und "Fremde Kulturen" - unvergesslich.

Das Jahr 2024 ist aber für das historische Geschehen besonders wichtig. Nicht nur, dass Hans Langsdorff am 20. März 130 Jahre alt geworden wäre, sondern es jährt sich auch der Moment, im August 1939, der für Schiff und Besatzung diese unbeschwerte Zeit jäh beendete – alles war nun Geschichte …

 

Anlass genug, die Vorgänge, von denen ausführlich in den verschiedenen Abschnitten berichtet wurde, zusammenfassen, diese abermals beleuchten und zu einer Bewertung finden.

  • Die Vorbereitungen für die Operation, die einen Handelskrieg zum Ziel hatten, wurden mal eben über das Wochenende abgewickelt; milde ausgedrückt: im Hauptverfahren. Ab Anfang September begann die lange Wartezeit im Südatlantik. Für die Besatzung gab es keine sinnvolle Beschäftigung: Die Kluft zwischen Offizier und Mannschaft hatte sich spürbar intensiviert und die Lufttemperatur auch.
  • Nach vier Wochen erhielt die Mannschaft volle Operationsfreiheit und die Suche nach Prisen begann. Auch die Technik des Schiffes begann zunehmend Probleme zu bereiten. Auch hier begann die Suche nach den Ursachen, was keine Überraschung sein dürfte, zumal das Schiff zu dem Zeitpunkt bereits zur Generalüberholung in einer Werft hätte liegen müssen. So musste die Besatzung mit eigenen begrenzten Mitteln die Reparaturen notdürftig durchführen. Die Kriegsmarine durfte sich glücklich schätzen, solches hochqualifiziertes Personal zu haben; ohne das wäre es nämlich nicht gegangen. Das Bordflugzeug, welches im Prinzip die Funktion "eines fliegenden Auges jenseits des Horizontes" wahrnehmen sollte, fiel durch permanente technische Probleme auf – bis hin zum Totalausfall.
  • Im Laufe der Operationszeit gingen nicht nur die Kohlensäure und das Artic-Öl zur Neige, Mittel, die für die Kühlmaschinen bzw. die Munitionskammern dringend gebraucht wurden, zur Neige, sondern auch die Bordverpflegung, und schließlich mussten sich drei Männer eine Rolle Toilettenpapier teilen.
  • Diese Operation mündete schließlich am Ende in einem Gefecht mit zahlreichen Gefallenen, noch mehr Verwundeten und einem Kommandanten, der zeitweise seiner Verletzungen im Gefecht wegen ausgefallen war. Am Ende des Tages fanden sich Schiff und Besatzung im Hafen von Montevideo in Uruguay wieder.

Langsdorff soll hier keineswegs heiliggesprochen werden. Sicher sind, militärisch betrachtet, strategische Fehler gemacht worden und daraus resultierten ebensolche Entscheidungen.

  • Vielleicht wäre einiges anders gelaufen, wenn dem Schiff und der Besatzung eine angemessene Vorbereitungszeit gegeben worden wäre und Langsdorff ein erster Offizier zur Seite gestanden hätte, der mit der nötigen Empathie ausgestattet und integrativ handelnd für die nötige Kommunikation mit der Besatzung gesorgt hätte. Und wenn im Hinblick auf die südamerikanische Küste im Allgemeinen und auf die "La Plata Mündung" im Besonderen die HSO mit eingebunden worden wären, die wertvolle Information über die Besonderheiten hätten liefern können – denn weder Langsdorff, sein Erster Offizier noch die beiden Navigationsoffiziere kannten die Situation vor Ort.

Aber das ist spekulativ. Genauso könnte die Frage gestellt werden, ob Langsdorff die nötige Erfahrung hatte, so ein Schiff zu führen. Nach seiner letzten militärischen Verwendung als Kommandant eines Minensuchbootes und als Halbflottillenchef im Torpedobootsverband sagte man Langsdorff nach, dass er seemännisch und taktisch und in der Menschenführung vorbildlich wäre.

 

Danach aber folgten bekanntlich Stabsfunktionen, über die bereits berichtet wurde, und zuletzt als I. Asto. bei unterschiedlichen Admiralen. Die Erfahrung als Erster Offizier einer großen Einheit fehlte und ein erneutes Bordkommando entwickelte sich erst aus der Übernahme der "Admiral Graf Spee" am 1. November 1938. Es gebe sicher noch das eine oder andere zu erwähnen, aber letztendlich führt das alles zu nichts – es ist historisch und nicht reversibel.

  • Einmal in Montevideo eingelaufen musste Langsdorff bald erkennen, dass die uruguayische Regierung nicht bereit war, die Regeln der Genfer-Konvention zu berücksichtigen, die sehr wohl Langsdorff gestattet hätten, die Seetüchtigkeit seines Schiffes in einem neutralen Hafen wiederherzustellen, stattdessen das sofortige Auslaufen des Schiffes und der Besatzung aus Montevideo anzuordnen.
  • Das Belastende für Langsdorff war allerdings, dass der deutsche Gesandtschaftsleiter in Montevideo, Otto Langmann, von Anfang an ihm ablehnend begegnete. Die am nächsten Tag aus Buenos Aires eingetroffene deutsche Delegation verbesserte die Situation keinesfalls. Es handelte sich durchweg aus hohen NS-Funktionären, die ihre bedeutende Aufgabe eher darin sahen, die NS-Interessen zu vertreten – auch in Südamerika; dieser NS-Riege war das Schiff und die Besatzung doch völlig egal. Der gesamte Vorgang ist im Abschnitt Uruguay beschrieben.

Die Reaktion von Langsdorff ist hinlänglich bekannt und er äußerte sich:

  • >> Ich werde uns nicht von einer Übermacht in Stücke schießen lassen – für mich sind tausend junge Männer lebend mehr wert als tausend tote Helden […] << Er hatte sich damit für das Überleben seiner Besatzung entschieden!

Das Einlaufen in Montevideo um den Gefallenen ein würdiges Begräbnis ausrichten, die Schwerverwundeten stationär zu behandeln und die Seetüchtigkeit des Schiffes wiederherzustellen hatte sich zur Falle entwickelt und durch die Weigerung seine Besatzung sinnlos zu opfern war Langsdorff für NS-Gesinnte zum Ärgernis geworden; das wusste er und beides führte für Langsdorff dazu, mit seinem Leben abzuschließen.

 

Nachdem alle Maßnahmen zur Sprengung der "Graf Spee" getroffen worden waren und die Evakuierung nach Buenos Aires vorbereitet war und somit die Rettung der Besatzung verbindlich war Schrieb er noch kurz vor dem Auslaufen an seiner Frau Ruth:

  • "Nun bin ich tief innerlich froh und zufrieden, alles ist in Vorbereitung und ich habe die Ruhe, Dir diesen Brief zu schreiben, zum Abschied und Dank." Ähnlich lautete der Abschiedsbrief an seiner Mutter.

Nachdem Langsdorff und seine Besatzung Buenos Aires erreicht hatten und die argentinische Regierung die Internierung beschlossen hatte, schrieb er in den frühen Morgenstunden des 20. Dezember 1939 einen Brief an den deutschen Botschafter v. Thermann und notierte dort seine persönlichen Gedanken, Gefühle und Beweggründe – danach erschoss er sich.

  • Was aber Jahrzehnte nicht bekannt war, ist, dass Langsdorff bereits am 19. Dezember 1939 einen Brief an seinen Bruder Reinhard geschrieben hatte, der seinen Bruder aber nicht erreichte – offenbar verblieb dieser absichtlich in der Deutschen Botschaft in Buenos Aires.
  • Mit dem Fund des Briefes an seinem Bruder erhält der Brief an den Botschafter v. Thermann eine ganz andere Qualität. Denn in dem Brief an seinen Bruder wird deutlich, dass die unerträglichen Vorwürfe, denen Langsdorff durch die NS-Riege bereits in Montevideo ausgesetzt war, in Buenos Aires weiter bestanden. Der Text beider Briefe ist unter Das Arsenal, sein Umfeld und die strukturellen Bedingungen nachzulesen.

Die Entscheidung von Langsdorff, sich von einer Übermacht nicht in Stücke schießen lassen und damit das Überleben seiner Besatzung zu sichern, gehörte zu seinem persönlichen Wertekompass, nachdem er immer handelte.

  • Eine ähnliche Situation war im November 1918 in Bremerhaven zu beobachten, als revolutionäre Matrosen von der Schleuse aus die Besatzung aufforderten, ihren Kommandanten abzusetzen und die Kaiserliche Kriegsflagge niederzuholen, und die Besatzung dieses Ansinnen ablehnte. Als daraufhin die Revolutionäre ihre Waffen in Anschlag brachten und eine Schießerei bevorstand, befahl Langsdorff das Niederholen von Flagge und Wimpel. Sein Verhalten begründete er später damit, dass er am Ende des Krieges seine Männer nicht sinnlos über den Haufen schießen lassen wollte.
  • In seiner Gesamtbiografie über Hans Langsdorff beschreibt H. J. Kaack ihn als einen Offizier, der zeitlebens versuchte, seine geistige Unabhängigkeit, selbst in der hierarchischen Struktur des Militärs, zu bewahren. >> Die Achtung vor der Würde des Menschen kennzeichnete seinen Wertekanon, den er auch in Kriege einhielt - seine Unkonventionalität und Offenheit bewies Langsdorff immer wieder <<.

 

Angesichts der Wertschätzung für Langsdorff, die ihm jetzt seit über 80 Jahren dargebracht wird und unvermindert anhält, im Abschnitt Spee-Kameradschaften wird das anschaulich dargestellt, wirft eben dieser Umstand international die Frage auf, warum die Deutsche Marine, zumindest Teile davon, sich so schwer tut, mit Langsdorff aufrichtig umzugehen.

 

Auch wenn dieser Marineoffizier, der zu Beginn des Zweiten Weltkrieges einen Fehler machte, militärisch betrachtet wohl allemal, hat er aber, als er ihn erkannt hatte, eine mutige und moralisch vorbildliche Entscheidung getroffen und Verantwortung für seine Handlung und seine Männer übernommen.

 

Zwei bemerkenswerte Nachrichten, die ich als Autor bekommen habe, sollen hier stellvertretend für viele andere genannt werden:

 

Der eine Absender schrieb, dass sein Vater mit Langsdorff verwandt war. Langsdorff hatte sich bei ihm ein Buch ausgeliehen und 1939 mit persönlichen Worten auf einer begleitenden Grußkarte, mit der Abbildung der "Graf Spee", zurückgegeben.

  • Sein Vater schrieb einen Kommentar auf diese Grußkarte. Zitat: >> Mein Vetter II. Grades, Hans Langsdorff, war ein Mensch mit ungewöhnlicher Bildung, Typ des intellektuellen Offiziers - er verabscheute Hitler: Dieser Krieg war nicht sein Krieg<<.

Der andere schrieb mit der Überschrift "Langsdorff tribute" als Antwort auf einen Artikel, der in der Zeitung "The Times" am 15. August 2019 erschien, dass sein Vater Besatzungsmitglied des Leichten Kreuzers "HMS Ajax" war und an dem Gefecht vom 13. Dezember 1939 teilgenommen hatte. Er berichtet kurz über die Wertschätzung, die bisher Langsdorff international entgegengebracht wurde, weil er mit seinem Entschluss viele Leben gerettet hatte.

Aber mit den beiden letzten Sätzen bringt er es grandios auf den Punkt:

  • >>To date Germany may have failed to honour him. The free world that Hitler tried to destroy has not<<.

(Bisher hat es Deutschland vielleicht versäumt, ihn zu ehren. Die freie Welt, die Hitler zu zerstören versuchte, hat es nicht.)

 

Egal, wie zentrale Institutionen und fehlgeleitete Ideologen in Deutschland mit diesem einmaligen historischen Marineereignis, bzw. mit der Person von Hans Langsdorff, umgehen – ausschlaggebend ist, wie wir ihn betrachten!

 

Die Töchter und Söhne der ehemaligen Speefahrer haben das auf besondere Weise bewiesen. Denn ohne diese mutige und moralisch vorbildliche Entscheidung vom Kommandanten der "Admiral Graf Spee" KptzS. Hans Langsdorff hätte es sie vermutlich nicht gegeben, jedenfalls nicht in dem jeweiligen Gefüge; die Tochter von Hans Götz, wir sind ihm schon begegnet, sagte mal zu ihren Kindern:

  • >> Ohne einen Hans Langsdorff würde es uns so in dieser Form sehr wahrscheinlich nicht geben! <<

Das ist keine Pathetik: Das ist gelebte Realität! Und das ist das Maß aller Dinge.


Schwerer Kreuzer HMS "Exeter"

Der Wahlspruch: "Semper fidelis"

York-Klasse - 8390 ts - 32 kn

Leichter Kreuzer HMS "Ajax"

Der Wahlspruch: "Nec Quisquam Nisi Ajax"

Leander-Klasse - 7270 ts - 32,5 kn

Leichter Kreuzer HMNZS "Achilles"

Der Wahlspruch: "Braverly in Action"

Leander-Klasse - 7270 ts - 32,5 kn