Sir Henry Harwood * 19. Januar 1888 + 09. Juni 1950.

Das Aufeinandertreffen ist Commodore Henry Harwood geschuldet. Ein britischer Verbandsführer, der taktisch, operativ und an Erfahrung, anderen Führungsoffizieren weit überlegen war. Seit Anfang der 1930er Jahre an Südamerikas Küsten unterwegs kannte er dort jede Bucht und jeden Hafen.

Harwood, der das Kommando der südamerikanischen Division 1939 übernahm, bereitete sich methodisch und unerbittlich für den Fall eines Krieges vor.

Insbesondere auf ein Seegefecht mit zwei oder drei eigenen Kreuzern, egal ob schwer, leicht oder beider Typen, mit einem feindlichen Panzerschiff.

Er instruierte nicht nur perfekt seine Männer, sondern besuchte systematisch die Häfen seines Bereiches, um die dortige Marine und die Hafenbehörden kennenzulernen.

Anlässlich eines Besuches in Montevideo 1937 führte Harwood, an Bord des "Exeter", mit der uruguayischen Korvette "Huracan" ein Manöver durch. Die "Huracan" übernahm die Rolle eines feindlichen Panzerschiffes, das sich in die Mündung des "La Plata" flüchten wollte. Ziel war für Harwood die Eigenschaften der Flussmündung besser zu erkennen und Kenntnis über die Navigationsmöglichkeiten erreichen - was nun auch eintreffen sollte.

Ein charakteristisches Beispiel der langen Vorbereitung und die intelligente Vorwegnahme von möglichen Gefechtssituationen war, dass Harwood auf einem Lehrgang für Stabsoffiziere 1935-36 einen Plan vorlegte, wie ein Angriff auf ein Panzerschiff vorzunehmen wäre. Und genau diese Vorgehensweise wurde später im Gefecht auch angewendet.

Die drei Kommandanten der britischen Kreuzer hatten nie zuvor ein gemeinsames Manöver absolviert und nur durch den Weitblick von Harwood waren sie auf das Kommende vorbereitet.


Entscheidend müssen zunächst die Vorfälle bei der Aufbringung der "Doric Star" und der "Tairoa" gewesen sein – wir erinnern uns: Das jeweilige Funken der Schiffe mit der Übermittlung ihrer Positionen und der Vorfall mit dem Bordflugzeug. Und weiter die Begegnung mit dem abgeblendeten Fahrzeug, wo Unklarheit herrscht, ob es nicht doch gefunkt hatte.

 

Jedenfalls ließen schon die ersten beiden Vorfälle bei Harwood Überlegungen aufkommen, wohin sich der Gegner aller Wahrscheinlichkeit nach hinbewegen würde. Weiter stellte er Berechnungen an - unter Zugrundelegung von einer Geschwindigkeit von 15 kn und andern Bedingungen - und kam zum Ergebnis, dass es nur drei Möglichkeiten geben könnte, wann ein Aufeinandertreffen erfolgen müsste.

Auf einer Skizze, die für sich schon aufschlussreich ist, weil diese die scharfsinnigen Überlegungen von Harwood lebendig macht, hat er derart geschlussfolgert.

Datum der Berechnung muss der 06. Dezember gewesen sein und er berechnete für die Ankunft der "Graf Spee" in den möglichen Operationsgebieten:

 

Rio de Janeiro 12. Dezember - Vormittags; La Plata 13. Dezember - Morgens; Falkland-Islands 14. Dezember am Nachmittag.

Nun musste er nur noch bestimmen, wo es am wahrscheinlichsten war und er entschied sich für die La Plata-Mündung, denn dort war der Schiffsverkehr am größten. Der kleine Pfeil, rechtsweisend vor dem P an dem Fächer R-P-F, zeigt seine Entscheidung.

Dass Commodore Harwood sich auf dem Leichten Kreuzer "Ajax" befand - als Geschwaderchef - belegt, wie verzweifelt inzwischen die britische Admiralität war.

Ein Grund dafür war, dass die von der "Graf Spee" versenkten Schiffe, nach britischer Auffassung, nicht nach Bruttoregistertonnen betrachtet wurden, sondern nach versenkter Ladung.

Der damalige Gesamtwert belief sich auf etwa 55 Millionen Reichsmark; das wären rechnerisch 90 Millionen Euro.

Commodore Harwood hatte deshalb auch den Befehl der britischen Admiralität erhalten, das Panzerschiff anzugreifen, auch wenn dadurch das gesamte Geschwader geopfert werden müsste.

Langsdorff dagegen führte erstmalig ein großes Schiff und hatte keine Kenntnisse über das dortige Revier an der "La Plata-Mündung" und den regionalen Gegebenheiten. Außerdem führte Harwood drei Kreuzer, während Langsdorff Einzelfahrer war.

Es wäre durchaus wünschenswert gewesen, hätte die KM in ihren Reihen nur im Ansatz auf dieses Wissen und die Erfahrung eines Harwood zurückgreifen können.


Die Grafik bildet die Trefferweite und die Feuerkraft deutlich ab.
Die Grafik bildet die Trefferweite und die Feuerkraft deutlich ab.

Das Gefecht vor Punta del Este

 

Am 13. Dezember 1939 befindet sich die"Graf Spee" auf 34° 27` 30‘‘ S – 049° 55‘ 00‘‘ W – anliegender Kurs 155° - Fahrt 15 kn.

Um 06:00 Uhr OZ soll auf Kurs 335° gegangen werden. Der Himmel ist wolkenlos und die Sicht mit 20 sm ist gut.

 

Um 05:50 Uhr OZ wird an Backbord auf ca. 15 sm (27 km) Mastspitzen gesichtet und zunächst geht man von einem Konvoi aus, also Handelsschiffen in Begleitung eines Kriegsfahrzeugs.

Doch dann kommt man zur Erkenntnis, dass es sich um drei britische Schiffe handelt - den Schweren Kreuzer "Exeter" und die beiden Leichten Kreuzer "Ajax" und "Achilles".

 

Gegen 06:00 Uhr schrillt die Alarmglocke; die "Graf Spee" befindet ca. 250 sm östlich von Punta del Este / Uruguay.

Um 06:17 Uhr eröffnet die "Graf Spee" auf 206 hm (20,6 km) Entfernung mit ihren 28 cm-Rohren das Feuer, zunächst auf den Kreuzer "Exeter" - sodann, als die Kreuzer "Ajax" und "Achilles" näher kommen, auch auf diese.


Dem Kriegstagebuch der "Graf Spee" ist folgendes Gefechtsbild zu entnehmen.

Die gestrichelten Linien bedeuten die Feuereröffnung bzw. den Zielwechsel mit Uhrzeit.

Die drei parallelen Striche zeigen die Torpedofächer und die schwarzen Balken die Einhüllung durch künstlichen Nebel.

SA: Schwere Artillerie – MA: Mittlere Artillerie.


Im Laufe des Gefechts erleidet der Kreuzer "Exeter" besonders schwere Schäden, scheidet um etwa 07:40 Uhr OZ aus dem Gefecht aus und läuft nach Süd-West ab. Darauf beginnen die beiden Kreuzer "Ajax" und "Achilles", deren Rückzug zu decken.

 

Die Lage des Gegners stellt sich wie folgt dar:

 

"Exeter": Von drei Geschütztürmen wurden zwei sofort zerstört und der Dritte war auch bald nicht mehr zu gebrauchen, weil die Munitionskammer vollgelaufen war. Der vordere und hintere Kommandostand waren zerstört, eine saubere Befehlsübermittlung war nicht mehr möglich und die diversen Sektionen standen unter Wasser und das führte zu annähernd 7° Schlagseite.

Hinzu kamen 61 Gefallene und 23 Verwundete.

 

"Ajax": Verlor zwei Geschütztürme und den Mast. 7 Gefallene und 2 Verwundete.

"Achilles": Die Kommandobrücke wurde zerstört. 4 Gefallene und 3 Verwundete.

 

Da die Schiffsführung der "Graf Spee" mehreren Torpedofächern der beiden ablaufenden Leichten Kreuzer ausweichen musste und nicht über den tatsächlichen Zustand des Schweren Kreuzers im Bilde war und damit rechnen musste, dass dieser wieder ins Gefecht zurückkehren könnte, setzte sie nicht nach und lief nach Westen ab.

 

Die eigene Lage stellt sich wie folgt dar:

 

"Graf Spee": Erhebliche Beschädigung der Schiffswand an Backbord, das dritte Geschütz der mittleren Artillerie an Backbord war völlig zerstört. Auch der dazu gehörige Munitionsaufzug, alle Kombüsen, der Frischwassererzeuger und die vollständige Ölreinigungsanlage. Hinzu kam belastend, dass die Feuerlöschanlage mit dem Feuerlöschmittel "Ardexin" zerstört wurde und in der Folge alle, die dort später säuberten, gelbkreuzartige Verwundungen erlitten.

 

Langsdorff, der das Gefecht, wegen der besseren Übersicht, nicht aus dem gepanzerten Gefechtsraum, sondern von der Vormarsplattform aus führt, erlitt mehrfach Verwundungen. Zunächst an Arm und Schulter und wird provisorisch versorgt.

Kurz darauf, im offenen Bereich immer noch anwesend, wird er nochmals verletzt, indem er, verursacht durch den immensen Luftdruck einer detonierenden Granate, gegen die Schiffswand geschleudert wird und für kurze Zeit das Bewusstsein verliert.

Das Schiff war in diesem Stadium führungslos! Dieser Vorfall wird im Abschnitt Das Gefecht, der Verlauf und die Folgen ausführlich thematisiert.

Hinzu kamen 36 Gefallene und 59 Verwundete; davon 6 schwer.

 

Was sich, aufseiten der "Graf Spee", zunächst als rationale Lagesituation liest, kam tatsächlich einem Blutvergießen gleich. Verwundete, die in blutdurchtränkten Hängematten lagen, Schwerverletzte, deren Arme und/oder Beine abgetrennt wurden und die Soldaten, die durch die Granatsplitter regelrecht zerfetzt waren - und überall roch es nach Blut.

Da die Geschütze der Mittelartillerie lediglich ein Panzerschutzschild hatten und nach hinten offen waren, sodass den Geschützbesatzungen nur ein gewisser Splitterschutz geboten werden konnte, war hier die Zahl der Toten und Schwerverwundeten besonders hoch.


Gegen 08:00 Uhr OZ tritt eine Gefechtspause ein. Langsdorff nimmt die Schadensmeldungen entgegen und  muss die vielen Gefallenen und Verwundeten Wahrnehmen. Trotz der überlegenen feindlichen Feuerkraft hatte die "Graf Spee" zunächst Glück – die Schäden waren quantitativ überschaubar, qualitativ ließen diese es allerdings nicht zu, in die Weiten des Atlantiks zu entschwinden. Die erhebliche Beschädigung der gesamten Ölreinigungsanlage hätte mindestens mittelfristig zum Ausfall der Maschinenanlage geführt - abgesehen von den anderen Beschädigungen, wie die Anlage zur Frischwassererzeugung, die Elektrik- und Wasserinstallation, alle Kombüsen und die Bäckerei, etc.

Die notwendigen Reparaturen konnten mit Bordmitteln nicht durchgeführt werden und für eine mögliche Heimreise war das Schiff in dem Zustand nicht mehr seetüchtig.

Langsdorff entscheidet sich den Hafen von Montevideo anzulaufen, um die nötigen Reparaturen erledigen zu können. Er ging davon aus, dass aufgrund der "Neutralität" Uruguays und auf der Grundlage des "Internationalen Völkerrechts" es machbar wäre, mit Werftunterstützung das Schiff reparieren zu lassen.



Auf dem Weg dorthin treffen sie gegen 11:00 Uhr OZ auf den britischen Frachter SS "Shakespeare" - dieser wird zum Anhalten aufgefordert. Kurz darauf, nachdem die Besatzung in die Rettungsboote wollte, muss von einem der britischen Kreuzer die Aufforderung, via FT, ergangen sein, das Schiff nicht zu verlassen. Langsdorff verzichtete allerdings auch auf weitere Maßnahmen und ließ das Schiff weiterfahren - er wollte aus diplomatischen Gründen keinen Zwischenfall vor der Küste Uruguays provozieren.

Die SS "Shakespear" - 5.029 B.R.T - wurde später vom italienischen U-Boot "Capellini", Kommandant war Salvatore Tòdaro, am 05.01.41 nordöstlich der Kap Verden auf Position 18° 05’ N - 21° 10’ W torpediert und sank. 18 Mann blieben auf See, der Rest wurde gerettet und an Bord des U - Boot genommen.


Auf der weiteren Fahrt nach Motevideo traf die "Graf Spee" gegen 19:00 Uhr OZ auf den Kreuzer "Uruguay". Spektakulär an dem Erscheinen des uruguayischen Kreuzers war, dass dessen Kommandant sich mit dem Schiff zwischen die "Graf Spee" und die britischen Kreuzer schob.

Grund war einerseits zu verhindern, dass das deutsche Kriegsschiff sich zwischen der "Isla de Lobos" und der uruguayischen Küste positionieren würde.

Und anderseits, dass die britischen Schiffe, unter der uruguayischen Küste, in die Hoheitsgewässer eindringen würden. Diese Begegnung blieb im Übrigen folgenlos.


Später soll Langsdorff für den Kommandanten KpzS. Fuentes Bewunderung geäußert haben: >> Trotz der Gefahr, zwischen die Gegner zu geraten, trat er mutig für den Schutz hoheitlicher Rechte ein<<.


Schwerer Kreuzer HMS "Exeter"

Der Wahlspruch: "Semper fidelis"

York-Klasse - 8390 ts - 32 kn

Leichter Kreuzer HMS "Ajax"

Der Wahlspruch: "Nec Quisquam Nisi Ajax"

Leander-Klasse - 7270 ts - 32,5 kn

Leichter Kreuzer HMNZS "Achilles"

Der Wahlspruch: "Braverly in Action"

Leander-Klasse - 7270 ts - 32,5 kn