Die Prisen

 

Nun, Ende September hatte das Suchen einen ersten Erfolg. In diesem Zeitraum, genauer: Am 07. Oktober, als eine dritte Prise erfolgreich war, wurde "unserer junger Heizer" Heinz Neumann 20 Jahre alt. Ein Alter, an das sich gemeinhin doch jeder gerne erinnert - im Krieg ist das Ereignis lediglich Statistik.

Nach jedem Zusammentreffen mit der "Altmark" wurde, wenn es die Lage erlaubte, die Ladung der Prise von dem Trossschiff übernommen - die Besatzungen der Schiffe jedenfalls immer.

Nachstehend werden die ersten fünf Prisen genannt und wesentliche Daten. Durch die Abbildungen der Eintragungen im KTB wird die Lebendigkeit während der jeweiligen Operation deutlich.




              Die "Africa Shell" 706 BRT in Ballast nach Lorenzo Marques.
Die "Africa Shell" 706 BRT in Ballast nach Lorenzo Marques.

Im Indischen Ozean

 

Danach erfolgte der Entschluss, das Operationsgebiet zu verlagern und den Marsch in den Indischen Ozean zu beginnen.

 Am 15. November kreuzte die Graf Spee 300 sm von dem britischen Kriegshafen Durban entfernt, als unter der Küste ein Dampfer gesichtet wurde. Es ist war die "Africa Shell". Sie wurde rechzeitig, bevor die sicheren Hoheitsgewässer erreicht werden konnten, gestoppt.

Da die Küste in Reichweite war, durfte die Mannschaft in die Boote und an Land rudern. Der Kapitän, Capt. P. Dove wurde an Bord genommen. Er behauptete fälschlicherweise, in portugiesische Hoheitsgewässer zu sein – eine Schiffsortbestimmung bestätigt aber den Standort außerhalb der Dreimeilenzone – 7 sm vor der Küste.

 

Dem KTB ist zu entnehmen, dass das Schiff mit zwei Sprengpatronen versenkt werden sollte. Das hatte aber nicht gut funktioniert und durch Funknachrichten später war zu erfahren, dass ein Starker SO Wind das Schiff auf Land trieb und dort wohl zum Wrack wurde. Andere Quellen berichteten, dass entgegen den sonstigen Gepflogenheiten, die Bodenventile geöffnet, und das Schiff in der Maputobucht / Mosambik auf Grund gesetzt wurde. Grund war die Nähe zur Küste und Artilleriefeuer hätte Aufmerksamkeit auslöst. Unterschiedliche Aussagen zu demselben Ereignis.

Trotzdem wurde die Aufbringung der "Africa Shell" vom Leuchtturmwärter vom "Cap Colatos" beobachtet und durch einen offenen Funkspruch gemeldet.

Das wiederum nutzte Langsdorff und täuschte seinerseits durch zwei Funksprüche vor, die "Graf Spee" wäre auf dem Weg in den Indischen Ozean - tatsächlich wurde ebendieser aber verlassen.

Das hatte zur Folge, dass der gesamte Schiffsverkehr zum Erliegen kam und große Kriegseinheiten zusammengezogen wurden - wieder einmal war das Ziel der Täuschung erreicht!

Dieses Ereignis hatte aber auch noch einen anderen interessanten Aspekt. Als die "Africa Shell" zum Stoppen aufgefordert wurde, lag der Kapitän in seiner Koje. Das hatte zufolge, dass er leichtbekleidet mit Turnhose und Shirt an Bord der "Graf Spee" gebracht wurde. Da er ja seine Schiffsposition anders darstellte, wurde er zu Langsdorff gebracht.

 

Hier trafen die beiden zum ersten Mal aufeinander und Langsdorff nahm zu Kenntnis das Dove keine adäquate Kleidung hatte. Daraufhin sorgte er umgehend das in der Schneiderwerkstatt für den britischen Kapitän die notwendige Bekleidung bereitgestellt wurde. Und weiter fragte er Dove, ob er raucht und als der das bejahte aber darauf hinwies, dass er seine Pfeife auch an Bord lassen musste, bot Langsdorff ihm vorübergehen eine Zigarre an.

Als Doven diese Geste schon vergessen hatte, kam Langsdorff abermals zu ihm und reichte ihm eine Pfeife. So wuchs im Laufe der Zeit, die Dove auf der "Graf Spee" zugegebenermaßen unfreiwillig verbrachte, zwischen den beiden ein Verhältnis gegenseitiger Wertschätzung. Er schrieb später ein Buch über diese Zeit und erwähnte diese Begegnungen und beschrieb Langsdorff als einen höflichen und zuvorkommenden Menschen mit viel Selbstvertrauen und nicht ohne Humor.

Und er erinnerte sich an einer Unterhaltung, Langsdorff hatte ihm ein Whisky gereicht, und auf seine Bemerkung hin ob dieser von einem versenkten Schiff sei, sagte Langsdorff: "Glauben sie mir Kapitän, es gefällt mir nicht Schiffe zu versenken. Keinem Seemann gefällt das. Auch ist es mir unangenehm, einen Krieg gegen Zivilisten zu führen. Bisher waren es die, die in diesem Krieg zu leiden hatten …"


Wieder im Südatlantik

 

Am 21.11. ist im KTB folgendes zu lesen: >> Während der Nacht sprungweise Änderung der Wassertemperatur und abends auf Stärke 8 auffrischende rechtsdrehende Winde. Das bestätigt auch das Segelhandbuch für dieses Seegebiet, dass durch den warmen Alguilhastrom und der kalten Ostströmung die sich mischen, mit starken stürmischen Winden zurechnen ist. Die ständig laufende Dünung zwingen mit der Fahrt auf 10 sm zu gehen – das Schiff stampft erheblich<<.

Zunächst in ein ununterbrochenes Wetterleuchten, das ein unentdecktes Vorankommen erschwerte, geriet die Mannschaft in der Nacht in einen Orkan, von dem Jahrzehnte später noch gesprochen wurde.



Die Entscheidung von Langsdorff, zurück in den Südatlantik zu gehen und einen Vorstoß zur La Plata-Mündung zu wagen, war strategisch nachvollziehbar. Seit Ende Oktober 1939 war bekannt, dass ca. 160 britische und französische Einheiten mit Flugzeugträgern und Schlachtschiffen (nicht einbezogen U-Boote und Zerstörer) an die südafrikanische Küste verlegt worden waren. Etwa 300.000 ts. – also mehr als die gesamte deutsche Flotte damals aufweisen konnte. Dieser Aufwand für ein einsames operierendes Panzerschiff!

Churchill soll in einer Unterhausrede gesagt haben, dass die ganze britische Flotte im Ersten Weltkrieg nicht so bewegt worden ist wie in diesen zwei Monaten.

Das lag natürlich auch daran, dass aufgrund der Tarnung, der Benutzung anderer Schiffsnamen, der fingierten Funksprüche, der widersprüchlichen Aussagen neutraler Schiffe, die angehalten und weiterfahren durften, ein völliges Durcheinander bei den Kriegsgegnern ausgelöst wurde, sodass keine gezielten Handlungen vorgenommen werden konnten.

Der Vorstoß in den Indischen Ozean, die Kontrolle des holländischen Dampfers "Mapia" und die Versenkung der "Africa Shell" hatten allein dazu geführt, dass die "Straße von Mozambique" für gut drei Wochen gesperrt wurde und der gesamte Schiffsverkehr zum Erlahmen kam. Hinzu kamen die immer stärker steigenden Versicherungsprämien für die Handelsschiffe, und es war kaum noch möglich, Besatzungen für die Dampfer zu kriegen. Für und nach Großbritannien wollte keiner mehr fahren.

Dass die "Graf Spee" das Operationsgebiet bereits wieder verlassen hatte und auf dem Weg in den Südatlantik war, konnte natürlich keiner ahnen. Und das führte bei der Schiffsführung zur berechtigten Annahme, dass im Südatlantik wohl nicht mit feindlichen Einheiten zu rechnen wäre, zumal dort in letzter Zeit keine Schiffe mehr aufgebracht wurden. Hinzu kam, wie durch Schiffsunterlagen aufgebrachter Schiffe zu entnehmen war, dass die Schiffsrouten verändert wurden und diese jetzt bekannt waren.

 

Aber wie schon angemerkt wurde das Risiko, das Schiff und Besatzung ausgesetzt waren, im Laufe der Wochen seit der Operationsfreigabe und dem Aufbringen der Schiffe immer deutlicher. Die Suchaktion der Kriegsgegner wurde nicht nur immer aufwendiger, sondern das möglich Operationsgebiet der "Graf Spee" immer erkennbarer.

Nachstehend werden die letzten drei Prisen genannt und wesentliche Daten. Auch hier wird durch die Abbildungen der Eintragungen im KTB die Lebendigkeit während der jeweiligen Operation deutlich. Aber auch die zunehmende Eile, weil die Gefahr bestand, vom Kriegsgegner überrascht zu werden.



Das lag zunächst in dem Vorfall bei der Aufbringung der "Doric Star". Es konnte nicht verhindert werden, dass der Funker eine Meldung absetzte und anderseits das Bordflugzeug aufgrund einer Notwasserung einen Funkspruch absetzen musste und Peilzeichen sendete. Das alles wurde vom Gegner registriert und mögliche Standorte angenommen.

Am Rande erwähnt – es stellten sich bei einem weiteren Erkundungsflug wieder Motorprobleme ein und es wurde vorzeitig an Bord genommen. Danach war es nicht mehr einsatzbereit.

Ein weiterer Vorfall gab es bei der Aufbringung der "Tairoa". Der Funker, voller Aufregung, funkte statt dreimal "R" für Raider, dreimal "A" für Airplane (Fliegeralarm).

Auch das wurde vom Gegner registriert und langsam kam bei ihm die Erkenntnis, dass es sich bei den Vorkommnissen im Indischen Ozean und den gegenwärtigen um ein und dasselbe Schiff handeln musste - zumal ein Flugzeug, soweit von einer Küste entfernt, allein gar nicht hätte operieren können.

Ein späteres Ereignis könnte mit ausschlaggebend gewesen sein. Es gib darüber zwar im KTB eine Eintragung, aber die dort festgehaltenen Beobachtungen weichen in einem wichtigen Detail von der Wahrnehmung einiger Besatzungsmitglieder die das später übereinstimmend erwähnt haben ab.

 

In heller Mondnacht begegnete der "Graf Spee" ein abgeblendetes Fahrzeug und in Unkenntnis, ob es sich hierbei um ein britisches oder gar deutsches Schiff handelt, das den Durchbruch wagte, entschied sich die Schiffsführung, es weiter ziehen zu lassen.

Da nachts die "Graf Spee" für Funksprüche die englische Variante nutzte, um eine vorzeitige Alarmierung zu verhindern, wollte man vermeiden, dass wenn es ein deutsches Schiff gewesen wäre, dieses sich selbst versenkt hätte.

Soweit so gut – das abweichende Detail ist, das im KTB eingetragen ist, dass die Funkbeobachtung ergibt, dass nicht gefunkt wurde.

Später aber wurde wie erwähnt berichtet, dass später dieser Dampfer anfing, emsig zu funken und gab eine detaillierte Standortmeldung aus. Bei dem abgeblendeten Schiff soll es sich um einen Norweger gehandelt haben.

Im Abschnitt "Resümee" werden diese Vorfälle ausführlich thematisiert.


Die La Plata-Mündung

 

Nach der Versenkung der "Strehonshalh" und den gefundenen Schiffspapieren stellte sich auch heraus, dass tatsächlich auf diesem Weg, wo die nächtliche Begegnung stattfand, sich die neue Route für Frachtschiffe, von Montevideo und Buenos Aires kommend und nach Freetown / Südafrika führend, befand.

Nun, auf dieser Route lief die "Graf Spee" auf die La Plata-Mündung zu, ohne auf Handelsschiffe zu treffen. Auffallend leer war das Gebiet und mancher der Besatzung erinnerte sich an die Worte von Langsdorff, dass der Tag noch kommen werde, wo Schiff und Mannschaft zum Gefecht antreten müssten.

 


Schwerer Kreuzer HMS "Exeter"

Der Wahlspruch: "Semper fidelis"

York-Klasse - 8390 ts - 32 kn

Leichter Kreuzer HMS "Ajax"

Der Wahlspruch: "Nec Quisquam Nisi Ajax"

Leander-Klasse - 7270 ts - 32,5 kn

Leichter Kreuzer HMNZS "Achilles"

Der Wahlspruch: "Braverly in Action"

Leander-Klasse - 7270 ts - 32,5 kn